„Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen mußte, dass ich nicht gelebt hatte”

Die Erlebnispädagogik ist für viele Pädagoginnen und Psychologen ein Königsweg des Lernens, für Politik und Presse manchmal eine teure und überschätzte Methode, Ausgewogene Einschätzungen sind selten.

Blickt man zurück auf die Wurzeln der Erziehung und des Lernens, dann findet man jedoch zuhauf Hinweise auf die Wirksamkeit des handlungs- und erlebnisorientierten Lernens. Zudem werden die Lernprinzipien der Erlebnispädagogik derzeit durch die Ergebnisse der Lernforschung des Konstruktivismus und der Neurobiologie bestätigt.

Natürlich wurde schon Vieles zum Thema Erlebnispädagogik veröffentlicht. Sozusagen als Entschuldigung für diese mangelnde Innovation sei eine Anmerkung von Kurt Hahn, dem Begründer der Erlebnispädagogik, zitiert:

„Es ist in der Erziehung wie in der Medizin. Man muß die Weisheit
der tausend Jahre ernten. Wenn Sie je zu einem Chirurgen kommen,
und der will ihnen den Blinddarm in einer möglichst originellen
Weise herausnehmen, so rate ich Ihnen dringend, gehen Sie zu
einem anderen Chirurgen” (Hahn 1998, 292).

Wir sprechen erst dann von Erlebnispädagogik, wenn nachhaltig versucht wird, die Erlebnisse durch Reflexion und Transfer pädagogisch nutzbar zu machen. Klettern, Schlauchbootfahren oder
Segeln sind Natursportarten, die viel Freude und Sinn vermitteln. Sie bleiben aber lediglich eine Freizeitbeschäftigung, wenn sie um ihrer selbst willen durchgeführt werden.

Das Konzept der Erlebnispädagogik will als Teildisziplin der Pädagogik junge Menschen durch exemplarische Lernprozesse und durch bewegtes Lernen vor physische, psychische und soziale He-
rausforderungen – vornehmlich in der Natur – stellen, um sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu fördern und sie zu befähigen, ihre Lebenswelt verantwortlich zu gestalten.

Pädagogik:

Der Begriff Pädagogik stammt aus dem Griechischen und setzt sich zusammen aus pais (= der Knabe, das Kind) und agogos (= der Begleiter, der Führer). Im alten Athen waren es Sklaven, die die Knaben auf dem Weg zur Schule begleiteten. Interessanterweise hat sich im Abendland dieses Begleiten bzw. dieser Weg im Begriff des Erziehens durchgesetzt, nicht das Wort für Schule. Das sagt einiges über den Charakter der Pädagogik aus: Darin stecken das gemeinsame Gehen, das Unterwegssein, die Begleitung, das Schweigen und das Sprechen, die Führung und der Schutz – also vieles, was wir mit Erlebnispädagogik verbinden.

Kairos:

Das ist in der griechischen Mythologie der Gott der Chance, der günstigen Gelegenheit. Man kann darunter auch einen von den Göttern geschenkten Augenblick“ verstehen. Wir erleben in der Pädagogik viele solche Augenblicke. Wie wir wissen, bemüht man sich oft ganz vergeblich bei Kindern und Jugendlichen um Veränderungen und sieht lange Zeit keinen Erfolg, doch eines Tages tritt ein Wendepunkt ein, eine Verhaltensänderung – ein Geschenk der Götter

Beispiel – Zwei Heimerzieher sind mit ihrer Gruppe in Schweden mit Rucksack und Schlafsack unterwegs. Sie wollen sechs Wochen durch die Wildnis Schwedens streifen. Die Jugendlichen haben nicht allzu viel Lust dazu, zwei ziehen sich ganz zurück und lehnen jeden Kontakt mit den Betreuern ab. Sie sind schweigsam, trotzig, und wollen keinesfalls mit diesen verrückten Pädagogen reden. Nach fünf Tagen rufen die beiden Jugendlichen am Morgen vor dem Zelt der Erzieher „Ihr könnt aufstehen, wir haben für euch Kaffee gekocht”
Das ist Kairos, einer dieser Augenblicke, den man als Pädagoge verspielen oder nutzen kann. Sagen die Pädagogen nun „Nein, wir sind noch müde”, dann versäumen sie eine günstige Gelegenheit zum Aufbau einer Beziehung, nehmen wie das Angebot aber an, können die Mauern fallen, die die Jugendlichen aufgebaut haben.

Outward Bound: Dieser Begriff entstammt der englischen Seemannsprache und bezeichnet das zum Ablegen bereite Schiff. Kurt Hahn, hat diesen Begriff, der genau seinen Ansatz bezeichnet, in die Pädagogik eingeführt: Das Kind steht sozusagen noch am Hafen und wird jetzt in die Pubertät aufbrechen. Dort wird es Wind und Wellen, Stürme und Unwetter geben, und der Pädagoge wird das Kind von der Pubertät bis zum Erwachsenendasein begleiten.

Spürt man den Bedeutungen einiger Begriffe und Ausdrücke wie Pädagogik, Kairos, Carpe Diem, Aufbruch und Outward Bound nach, dann fällt die enge Beziehung zum erlebnis- und handlungsorientierten Lernen auf. Insofern stellt die Erlebnispädagogik auch eine Wiederentdeckung dieser pädagogischen und philosophischen Ursprünge dar. Heute finden wir in Schule und Hochschule überwiegend eine Art ,,Sitzpädagogik“ vor, die diese Wurzeln vergessen hat.

Jean Jacques Rousseau (1712 -1778)

Rousseau entdeckte die Lebensphase Kindheit. Erlebnisse und Abenteuer in der Natur und die Auseinandersetzung mit ihr sind die treibende erzieherische Kraft. Das unmittelbare und aktive Ler-
nen fördert in optimaler Weise das Kind. Damit hat Rousseau die Grundmauern zum erlebnis- und handlungsorientierten Lernen geschaffen.

Henry David Thoreau (1817 – 1862) oder das Buch „Into the Wild“

Thoreau war ein Aussteiger, Pädagoge, Poet und letztlich auch ein Tiefenpsychologe des 19. Jahrhunderts, der allen unnötigen zivilisatorischen Ballast auf dem Weg zum Unbewussten, zur Erkenntnis und zum geglückten Leben abwerfen will. Er wirkt v.a. Durch seine Erlebnisse und Erkenntnisse, die er in seinen Tagebüchern aufgezeichnet hat. Sein Rückzug an den Walden-See wird später zum Muster für das Solo-Experience: einige Tage und Nächte allein in der Natur verbringen. Er ist tief im Bewusstsein der amerikanischen Adventure Education verankert.

„Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näherzutreten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hatte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen mußte, dass ich nicht gelebt hatte”

So wird er zum Zeitkritiker und weltlichen Einsiedler, zum Anarchisten, der den Staat ablehnt, zum Begründer der Idee des zivilen Ungehorsams

Kurt Hahn

„Verwahrlosung sei, den Jugendlichen nicht zu Erlebnissen zu verhelfen, durch die sie ihrer
verborgenen Kräfte gewahr werden können“ (Hahn 1998).

Kurt Hahn wollte mit positiven Erlebnissen die Gesellschaft von ihren Verfallserscheinungen heilen und nannte daher seinen pädagogischen Ansatz „Erlebnistherapie”. Seine Erlebnistherapie ist Ausweg aus der Krise des Alltags, der Belang- und Bedeutungslosigkeiten, ein Pfad des Heilens.

Vier Verfallserscheinungen und vier Methoden

Verfall der körperlichen Tauglichkeit

Mangel an Initiative und Spontanität

Mangel an Sorgsamkeit

Mangel an menschlicher Anteilnahme

Mit der Erlebnistherapie will Kurt Hahn den Verfall der Gesellschaft durch die pädagogische Praxis aufhalten. Die von ihm analysierten Verfallserscheinungen sind eine grobkörnige Analyse, die jedoch eine erstaunliche Aktualität entfaltet. Ebenso einfach kommen seine vier Therapien (körperliches Training, Expedition, Projekt und Dienst am Nächsten) daher. Sie besitzen aber ohne Zweifel allerhöchste Bedeutung für die Lösung aktueller Probleme wie Übergewicht und Adipositas, Passivität durch neue Medien, Defizite bei sozialen Kompetenzen.

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Geh raus in die Natur und tue etwas, was du noch nie gemacht hast, aber auch nicht etwas was du nie machen würdest und reflektiere dies wenn du wieder zu Hause bist.
Das ist für mich Erlebnispädagogik, denn man muss es selber gespührt haben. Ben

Lernmodelle

Draußen in der Natur zu lernen ist aus mehreren Gründen effizient. Zum einen führt diese Lernumgebung dazu, dass Statusunterschiede ausgeglichen werden der Alltag gerät in Vergessenheit, die Masken fallen. Zweitens können Ursache und Wirkung des Handelns direkt erlebt und als Lernanlass genutzt werden. Drittens spielen die Emotionen und die Kommunikation eine große Rolle.Viertens vermitteln Erlebnisse in der Natur nachhaltige Eindrücke, die neben der Erziehung auch eine Art Prüfung darstellen.

Lernen zwischen Komfort und Panik

Die Lernpsychologie hat gezeigt, dass wir wenig lernen, wenn wir uns in einer Komfortzone bewegen – „Ein voller Bauch studiert nicht gern“ in der wir mit unserem üblichen Verhalten erfolgreich sind. Und sie hat bewiesen, dass wir bei großer Angst und Panik nichts lernen, weil wir
dann nichts anderes als Kampf oder Flucht im Sinn haben. Auch die Gehirnforschung bestätigt, dass Furcht und Panik das Lernen unmöglich machen:

„Genauso wenig können neue Wahrnehmungen ins Bewusstsein eines
Menschen gelangen, wenn sie für ihn zu fremd sind, zu plötzlich auftau-
chen, zu überwältigend oder einfach nur zu zahlreich sind – also immer
dann, wenn sie Furcht auslösend sind und im Gehirn eine Notfallreak-
tion in Gang gesetzt wird, die zunächst nichts weiter als das nackte
Überleben sichern hilft. In solchen Situationen ist bewusstes Reflektie-
ren und langes Nachdenken nicht nur wenig hilfreich, sondern ,hirn-
technisch gar nicht möglich“ (Hüther 2004)

Lernen bedeutet Veränderung, und Veranderungen sind für das Gewohnheitstier Mensch eine Bedrohung, Nicht nur am Anfang der Philosophie, auch am Anfang des Lernens steht das Staunen, die Verwirrung,die Krise, das Problem, die Herausforderung, Die Erlebnispädagogik besteht immer in der Zumutung, Menschen aus der Komfortzone in die Zone der Herausforderung zu bringen. Dabei setzt sie nicht nur auf den Kopf, also auf kognitive Funktionen, sondern auch auf Herz und Hand.
Bewegung, Körper, Sport sind daher ein wichtiger Faktor beim handlungsorientierten Lernen.
Die Erlebnispädagogik will Herausforderungen anbieten und subtive Grenzen überschreiten. So können Komfort- und Wachstumszone erweitert werden. Eingebettet in eine Gruppe, betreut von erfahrenen Erlebnispädagogen, mit Vertrauen in die Technik und in sich selbst

Und wer diese Zone öfter durchbricht, wird ungewohnte Situationen irgendwann der Komfortzone zurechnen.

Felix von Cube (1990) geht davon aus, dass es ein Streben nach Risiko und Abenteuer gibt. Der Mensch sucht das Risiko auf, um Sicherheit zu gewinnen. Das Unbekannte wird dann so zum Bekannten, zum Berechenbaren und zum Vertrauten. Von Cube folgert (1990, 12): Warum ist Klettern so lustvoll? Weil man bei jedem Schritt Unsicherheit in Sicherheit verwandelt”. Weil der Mensch um seine existenzielle Unsicherheit weiß, strebt er in allen Bereichen nach totaler Sicherheit. Nach von Cube gibt es vier Stufen, vier evolutionäre Prinzipien, die uns helfen,
Sicherheit zu gewinnen: Instinkt, Lernen, Denken, Neugier.
Während der Instinkt eine gefühlsmäßige Sicherheit vermittelt, wird durch Lernen neue Information be- und verarbeitet. Das Denken ist die logische Durchdringung der Wirklichkeit; der Neugiertrieb schließlich soll Unbekanntes in Bekanntes verwandeln. Von Cube entdeckt dabei auch ein Lustprinzip: das „Flow”-Erlebnis. Er lehnt sich hier an die Forschungsergebnisse von Csikszentmihalyi (1987) an, der bei Kletterern, aber auch bei Tänzern, Chirurgen, Schachspielern und Musikern einen psychischen Zustand festgestellt hat, den er als Flow bezeichnete.

Flow ist nach seiner Definition, das holistische Gefühl beim völligen Aufgehen in einer Tätigkeit. Handlung erfolgt auf Handlung, der Handelnde erlebt ein einheitliches Fließen von einem Augenblick zum nächsten …,
kaum eine Trennung zwischen sich und der Umwelt, zwischen Stimulus und Reaktion, oder zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ (von Cube 1990). Der flüchtige Zustand, der nur schwer über einen längeren Zeitraum durchgehalten werden kann, ist gekennzeichnet durch das Verschmelzen von Handlung und Bewußtsein“ . Csikszentmihalyi hat nach einer ausführlichen Befragung von Kletterern feststellen können, dass offenbar die Gefahr selbst und ihre Überwindung keine hinreichenden Motive für das Tun der Kletterer sind. Es sind vielmehr ,,Gefühle der Kontrolle“ und des Könnens, die Lustgewinn versprechen.
So neu sind die Thesen von Csikszentmihalyi übrigens nicht. Bereits Immanuel Kant (1724-1804) hat in seinem kleinen Buch über die Erziehung angemerkt: „Der Mensch muß auf eine solche Weise okkupieret sein, daß er mit dem Zwecke, den er vor Augen hat, in der Art erfüllt ist, daß er sich gar nicht fühlt” (1997)

David Kolb entwickelte 1984, inspiriert von John Dewey und Kurt Lewin, den „Experiential learning cycle“ (Luckner/Nadler 1997, 5 f), der aus vier Phasen besteht und der etwas vereinfacht und leicht modifiziert so verläuft:

Erlebnisse durch Herausforderungen (1),

Rückblick und Reflexion (2),

Generalisierung der Erlebnisse zu Erfahrungen und Erkenntnissen; Abgleich mit Theorien (3),

Anwendung der Erkenntnisse in neuen Situationen (4).

Der Einstieg in diesen Lernzyklus kann überall beginnen. So kann die Ausgangsfrage eine falsche Generalisierung sein oder eine misslungene Anwendung mangels Theorie. Immanuel Kant stellt in der „Kritik der reinen Vernunft“ (1781) fest: „Begriffe ohne Anschauung sind leer, Anschauung ohne Begriffe ist blind” (1983,98). Über diese Kluft baut der erlebnisorientierte Lernzyklus eine Brücke. Noch besser wäre es, sich diesen Kreis als Spirale zu denken, denn jedes Mal, wenn wir in diesen Lernzyklus neu eintreten, geschieht dies auf einem höheren Level, mit höherer Kompetenz, aber mit geringerem Lernertrag, Kolb geht auch davon aus, dass je nach Lernstil Lernende in einem Teil des Lernzyklus Schwächen, in einem anderen Stärken zeigen.

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Ich würde gern das ihr im Flow arbeitet, das Komfortzonenmodell beachtet, den Lernzyklus anwendet um euch weiter zu entwickeln, das konstrucktive Lernen versteht und das methophorische Lernen passiert in unseren Programmen von ganz alleine 🙂 Ben